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05 Jun
05Jun

Es beginnt mit einem Gedanken. Oder besser: mit zwei.

Einer sagt: „Du kaufst jetzt günstiger.“

Der andere flüstert: „Und später sparst du nochmal.“

Willkommen in der Welt der mentalen Doppelbuchung – einem psychologischen Marketinggedanken, den Unternehmen gezielt nutzen. Die Bühne? Ein Gutschein. Die Wirkung? Kaufbereitschaft, Wiederkehr, Bindung. 

Doch wie bei jedem Marketinggedanken wirkt er nur, solange das Publikum nicht erkennt, wie es funktioniert – oder: dass es nicht immer funktioniert.


Wenn ein Gutschein zweimal wirkt

Du kaufst einen Laptop für 1.000 Franken. Im Warenkorb liegt ein Gutschein über 100 Franken für deinen nächsten Kauf. Du denkst: „Ich habe effektiv 900 gezahlt – und spare nochmal 100.“

Dabei hast du noch nichts eingelöst. Und doch fühlt es sich so an, als hättest du gewonnen.

Zweimal.

Diese mentale Buchhaltung auf Vorrat ist kein Zufall. Die Forscher Cheng & Cryder (2018) zeigten in ihren Studien, dass Kunden zukünftige Rabatte gedanklich oft schon im Jetzt verbuchen. Ein einziger Preisnachlass – doppelt gefühlt.

Das klingt banal, doch es verändert die Wahrnehmung: Das Produkt wirkt wertvoller, der Deal fairer, die Entscheidung klüger.


Der emotionale Kredit

Ein Bounce-Back-Coupon ist ein Versprechen – auf Rückkehr, auf erneuten Vorteil, auf Beziehung.

Und wie jede gute Beziehung lebt auch diese von Vertrauen.

Vana, Lambrecht & Bertini (2018) nennen es Cash Forward: Geld, das noch nicht in der Hand liegt, aber schon im Herzen angekommen ist. Es motiviert – nicht durch Zwang, sondern durch Aussicht.

Doch Aussicht kann auch trügen.


Wenn der zweite Gedanke alles verdirbt

Nicht jeder zweite Anreiz macht den ersten besser. Manchmal wird er zur Last. Li, Janiszewski & Liu (2024) untersuchten genau diesen Effekt:

Ein Angebot mit Rabatt heute – plus ein kleiner Anreiz für später. Klingt wie ein Bonus. Doch wenn der zweite Rabatt zu niedrig ist, schwer einzulösen oder einfach nur unklar, beginnt das Angebot zu kippen.

Was, wenn ich das gar nicht mehr nutzen kann?
Was, wenn ich die Bedingungen vergesse?
Was, wenn ich’s bereue?

Erwartetes Bedauern wird zum unsichtbaren Gegenspieler.

Der Kunde zögert. Der Kauf verliert seinen Glanz.


Wie man klug verführt

Verkaufspsychologie ist keine Magie. Sie ist ein Handwerk. Wer es beherrscht, weiss:

  • Ein Gutschein ist kein Trick, sondern ein Versprechen.
  • Ein Rabatt für morgen zählt nur, wenn heute Klarheit herrscht.
  • Was einfach wirkt, ist oft komplex gedacht.

So funktioniert es:

  • Gib 10–15 % vom Kaufwert zurück – aber nicht als Geschenk, sondern als Einladung.
  • Setz eine Frist, nicht als Druckmittel, sondern als Taktgeber.
  • Erkläre den Nutzen, ohne Bedingungen zu verstecken.
  • Erinnere freundlich, nicht fordernd: „Dein Gutschein wartet.“

Denn gute Kundenbindung ist wie gute Literatur:

Sie lebt nicht vom Reiz des Anfangs, sondern vom Wunsch, wiederzukehren.


Der Punkt ist nicht das Sparen.

Es geht nie nur ums Geld. Es geht um das Gefühl, gut entschieden zu haben. Darum, etwas zu bekommen – jetzt und in Zukunft. Darum, gesehen zu werden als Mensch mit Weitblick, nicht als Käufer. Und manchmal genügt ein kleiner Bon, um all das zu sagen.

Wenn er gut gemacht ist.


Quellen:

  • Cheng, A., & Cryder, C. (2018).
    Double Mental Discounting: When a Single Price Promotion Feels Twice as Nice.
    Journal of Marketing Research, 55(2), 226–238.
  • Vana, P., Lambrecht, A., & Bertini, M. (2018).
    Cashback Is Cash Forward: Delaying a Discount to Entice Future Spending.
    Journal of Marketing Research, 55(6), 852–868.
  • Li, Y. J., Janiszewski, C., & Liu, Y. (2024).
    The Anticipated Regret of a Lost Opportunity.
    Journal of Consumer Psychology, 35(1), 139–149.

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