Frenzel, unabh. akkreditierte Online-Journalistin
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10 Aug
10Aug

Die strategische Neuausrichtung der Informationsbeschaffung

Der Markt für Suchtechnologien befindet sich in einem fundamentalen Wandel. Während Google weiterhin die dominierende Kraft darstellt, wächst in Unternehmen das Bewusstsein für die strategischen Risiken, die mit dieser Monopolstellung einhergehen. 

Die Plattform agiert längst nicht mehr nur als Informationsvermittlerin, sondern als globaler Datenaggregator. Durch die Analyse von Suchanfragen, Standorten und Nutzungsverhalten werden umfassende Profile erstellt, die sensible Unternehmensdaten und das Verhalten von Mitarbeitenden langfristig speichern. 

Dies birgt nicht nur allgemeine datenschutzrechtliche Risiken, sondern führt zu konkreten Bedrohungen für das Kerngeschäft: die unbeabsichtigte Offenlegung sensibler Projektnamen, potenzieller M&A-Ziele oder Details geistigen Eigentums durch aggregierte Suchanfragen. 

Eine bewusste Auseinandersetzung mit alternativen Technologien ist daher für die Sicherung der Informationshoheit und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich geworden.

Eine zentrale Problematik ist die grundlegende Intransparenz der Algorithmen. 

Anbieter schützen ihre Rankingmechanismen bewusst, um Manipulationen zu verhindern. Diese "notwendige Geheimhaltung der Algorithmen" führt jedoch zu einem Vertrauensdilemma. 

Unternehmen und ihre Mitarbeitenden erhalten Suchergebnisse, deren Reihenfolge und Darstellung primär technischen sowie ökonomischen Interessen folgt und nicht zwangsläufig die objektiv besten oder relevantesten Informationen widerspiegelt. 

Diese mangelnde Nachvollziehbarkeit unterstreicht die Notwendigkeit, sich von einer einzigen Informationsquelle zu lösen und eine diversifizierte, strategisch fundierte Recherchestrategie zu etablieren.

Dieses Strategiepapier stellt daher die neuen Paradigmen der KI-gestützten Recherche sowie datenschutzkonforme Alternativen als strategische Lösungen vor. 

Es analysiert die Potenziale moderner Werkzeuge und leitet daraus konkrete Empfehlungen für einen sicheren, effizienten und souveränen Umgang mit Informationen im Unternehmenskontext ab.


Das neue Paradigma: KI-gestützte Recherche- und Automatisierungswerkzeuge

Eine neue Generation von KI-Browsern revolutioniert die Art und Weise, wie wir Informationen suchen und verarbeiten.

Diese Werkzeuge sind weit mehr als klassische Suchmaschinen; sie fungieren als integrierte Arbeitsumgebungen, die Wissensmanagement, Quellensynthese und Aufgabenautomatisierung direkt im Browser vereinen. 

Für Unternehmen liegt hierin ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der Effizienz und zur Verbesserung der Qualität in wissensintensiven Prozessen. 

Zwei führende Vertreter dieses neuen Paradigmas sind Comet (Perplexity) und Atlas (OpenAI).



Comet (Perplexity): Der Spezialist für Wissensmanagement und Recherche

Comet positioniert sich als hochspezialisiertes Werkzeug für anspruchsvolle Rechercheaufgaben, Wissenssynthese und die Evaluierung von Quellen. 

Es wurde gezielt für Nutzer entwickelt, die bei komplexen Fragestellungen auf Geschwindigkeit, Transparenz und eine strukturierte Organisation angewiesen sind. Sein strategischer Wert liegt in der Fähigkeit, schnell verlässliche und nachvollziehbare Informationsgrundlagen zu schaffen.

Die Schlüsselfunktionen umfassen:

  • Echtzeit-Suche: Greift auf aktuelle Webinformationen zu und liefert somit relevante, zeitnahe Ergebnisse.
  • Konsolidierte, zitierte Antworten: Führt Informationen aus verschiedenen Quellen zu einer kohärenten Antwort zusammen und belegt jede Aussage mit direkten Quellenangaben, was die Faktenprüfung erheblich vereinfacht.
  • Plugin-Integration: Ermöglicht die Anbindung an zentrale Arbeitswerkzeuge wie E-Mail, Kalender und branchenspezifische Workflows, um die Recherche nahtlos in den Arbeitsalltag zu integrieren.



Atlas (OpenAI): Der Agent für Aufgabenautomatisierung im Browser

Atlas verfolgt einen stärker agenten- und automationsorientierten Ansatz. 

Seine Kernkompetenz liegt nicht primär in der tiefgehenden Recherche, sondern in der Fähigkeit, als persönlicher Assistent Aufgaben direkt im Browser zu übernehmen und zu automatisieren. 

Durch die tiefe Integration von ChatGPT versteht Atlas komplexe Anweisungen und kann eigenständig Aktionen wie Online-Einkäufe oder Terminbuchungen ausführen, assistiert beim Schreiben und Planen und steuert digitale Workflows. Seit Oktober 2025 ist die Plattform für macOS verfügbar.

Seine Zielgruppe sind taskorientierte Nutzer und Power-User, die ihre operative Effizienz maximieren wollen, indem sie repetitive Aufgaben an einen KI-Agenten delegieren.


Strategische Bewertung und Anwendungsmatrix

Die Wahl zwischen den beiden Werkzeugen hängt vom spezifischen Anwendungsfall im Unternehmen ab. Die folgende Matrix stellt die Profile gegenüber:


KriteriumComet (Perplexity)Atlas (OpenAI)
Primärer AnwendungsfallStrukturierte Online-Recherche und WissensmanagementAusführung von Aufgaben im Browser
KernkompetenzQuellen-Synthese mit präzisen, zitierten ResultatenWorkflow-Automatisierung und Assistenz
Ideales NutzerprofilRecherche-Profis, Faktenprüfer, WissensarbeiterTaskorientierte Nutzer und Power-User
Strategischer MehrwertEffizienz und Transparenz bei komplexen RecherchenAutomatisierung von Routineaufgaben


Während diese umfassenden KI-Browser die Produktivität revolutionieren, erfordern die grundlegenden Anforderungen an den Datenschutz den gezielten Einsatz spezialisierter, datenschutzfokussierter Suchmaschinen.



Hinweis: Bitte mit dem Grössenregler heranzoomen.



Datenschutz als strategischer Vorteil: Analyse alternativer Suchmaschinen

Der Einsatz datenschutzfreundlicher Suchmaschinen ist mehr als eine reine Compliance-Massnahme. Er ist ein integraler Bestandteil des unternehmerischen Risikomanagements und ein Bekenntnis zur digitalen Souveränität. 

Durch die Minimierung der Datenspuren, die Mitarbeitende im Internet hinterlassen, schützen Unternehmen nicht nur sensible Informationen, sondern stärken auch das Vertrauen und die Sicherheit ihrer digitalen Infrastruktur.


Suchdienste mit eigenem Index: Der Weg zur Unabhängigkeit

Die strategisch wichtigste Eigenschaft einer Suchmaschine ist ihr eigener Web-Index. Nur so kann sie echte Unabhängigkeit von den Ökosystemen der Big-Tech-Konzerne wie Google oder Microsoft (Bing) gewährleisten und Suchergebnisse liefern, die nicht von deren kommerziellen Interessen oder Datensammlungsstrategien geprägt sind.

  • Mojeek ist ein Paradebeispiel für diesen Ansatz. Das Unternehmen finanziert sich über eigene Mittel sowie Spenden und ist wirtschaftlich vollständig unabhängig. Es verfolgt drei Kernprinzipien: kein Tracking der Nutzer, keine Erstellung von Nutzerprofilen und die alleinige Nutzung eines eigenen Index für die Suchergebnisse. Die Philosophie des Anbieters lässt sich treffend zusammenfassen:
  • Brave verfolgt ebenfalls das Ziel, einen eigenen Webindex aufzubauen und legt dabei einen starken Fokus auf den Schutz der Privatsphäre ohne jegliches Tracking.


Datenschutz-orientierte Metasuchmaschinen und Anbieter

Metasuchmaschinen bündeln die Ergebnisse mehrerer Suchdienste, können dabei aber einen Filter für den Datenschutz vorschalten. 

Sie anonymisieren die Anfragen der Nutzer, sodass die Ziel-Suchmaschinen keine persönlichen Daten erhalten.

  • Qwant ist eine französische Suchmaschine, die mit strengen Datenschutzbestimmungen wirbt. Ihre Vertrauenswürdigkeit wird dadurch unterstrichen, dass sie von der französischen Armee und dem Parlament als Standard-Suchmaschine eingesetzt wird. Der Vorsitzende Eric Leandri bringt die Mission auf den Punkt: "Für uns geht es um die Bürger, und die Bürger haben das Recht auf Privatsphäre". Aus strategischer Sicht ist jedoch zu beachten, dass die Axel Springer SE seit 2014 zu 20 % an Qwant beteiligt ist. Diese Beteiligung sollte bei der Risikobewertung, insbesondere bei Recherchen in sensiblen Branchen oder im Rahmen von Medienbeobachtung, berücksichtigt werden. In der Schweiz ist sie über VPN erreichbar. Sie wurde überarbeitet und enthält jetzt auch einen Bereich "qwantjunor.com".
  • eTools.ch ist eine Schweizer Metasuchmaschine, die Ergebnisse von bis zu 15 Quellen, darunter Google, Bing und Brave, abfragt. Sie basiert auf einer erprobten Suchlösung und bietet eine breite Abdeckung, während die Anfragen anonymisiert bleiben.

Während diese Werkzeuge einen hervorragenden Schutz für die alltägliche Recherche bieten, erfordern tiefgehende, professionelle Suchen oft den Einsatz noch spezifischerer Werkzeuge.


Spezialwerkzeuge für die professionelle Recherche

Für hochspezifische Anwendungsfälle in Abteilungen wie Forschung und Entwicklung, Recht, Compliance oder investigativen Einheiten reichen allgemeine Websuchmaschinen nicht aus. 

Hier ist der Zugriff auf spezialisierte Datenbanken und Analysewerkzeuge entscheidend, um schwer zugängliche, präzise und verifizierbare Informationen zu gewinnen.

  • Wolfram Alpha: Eine wissenschaftliche Wissensmaschine, die strukturierte Daten verarbeitet und komplexe Berechnungen sowie Analysen ermöglicht. Ideal für technische und wissenschaftliche Abteilungen.
  • TinEye: Ein Dienst zur Rückwärts-Bildersuche, der den Ursprung und die Verbreitung von Bildern im Internet nachverfolgt. Unverzichtbar für die Überprüfung von Bildrechten und die Aufdeckung von Fälschungen.
  • Offshore Leaks Database: Eine investigative Plattform des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zur Recherche von Offshore-Firmen und deren Netzwerken. Ein kritisches Werkzeug für Due-Diligence-Prüfungen.
  • Semantic Scholar: Eine KI-gestützte Suchmaschine für wissenschaftliche Literatur, die Forschern hilft, relevante Publikationen schnell zu identifizieren und deren Zusammenhänge zu verstehen.
  • Openverse: Eine Suchplattform für frei verwendbare Medieninhalte wie Bilder, Audio- und Videodateien. Besonders nützlich für Marketing- und Kommunikationsabteilungen.
  • Swisscows News: Eine Schweizer Nachrichtensuchmaschine, die einen besonderen Fokus auf Datenschutz legt und eine sichere Alternative für die Medienbeobachtung bietet.

Auf Basis der vorgestellten Analysen lassen sich nun konkrete strategische Empfehlungen für verschiedene Unternehmensbereiche ableiten.


Strategische Empfehlungen für den Unternehmenseinsatz

Die Wahl des richtigen Recherchewerkzeugs hängt stets vom spezifischen Anwendungsfall und dem gewünschten Schutzlevel ab. 

Eine "One-size-fits-all"-Lösung existiert nicht mehr. 

Die folgenden Empfehlungen bieten eine fundierte Grundlage für die Implementierung einer mehrschichtigen und resilienten Recherche-Infrastruktur, die sowohl Effizienz als auch Sicherheit maximiert.

  1. Für Wissensmanagement, Markt- und Wettbewerbsanalyse: Der Einsatz von Comet (Perplexity) wird empfohlen. Seine Fähigkeit, Informationen aus diversen Quellen zu synthetisieren und mit zitierfähigen Belegen zu versehen, macht es zum idealen Werkzeug für die Erstellung fundierter Analysen und Berichte.
  2. Für die Automatisierung von Routineaufgaben und Workflows: Für Power-User und Abteilungen mit hohem Anteil an repetitiven digitalen Aufgaben empfiehlt sich Atlas (OpenAI). Die browserbasierte Automatisierung steigert die operative Effizienz und entlastet Mitarbeitende von Routineaufgaben.
  3. Als datenschutzkonformer Standard für alle Mitarbeitenden: Hier ist eine differenzierte Empfehlung angebracht. Implementieren Sie Qwant für seine nutzerfreundliche Oberfläche und bewährte Akzeptanz in institutionellen Kontexten; die Unternehmensbeteiligung ist hierbei im Rahmen der Risikobewertung zu vermerken. Entscheiden Sie sich für Mojeek, wenn absolute technologische und finanzielle Unabhängigkeit von Big-Tech-Ökosystemen das oberste strategische Ziel darstellt. Beide minimieren das "Grundrauschen" der unbeabsichtigten Datenerfassung.
  4. Für investigative Recherchen (Due Diligence, Rechtsabteilung): Hier ist eine kombinierte Strategie erforderlich. Die Recherche sollte auf datenschutzsicheren Suchmaschinen aufbauen und durch den gezielten Einsatz spezialisierter Datenbanken wie der Offshore Leaks Database oder Analysewerkzeugen wie TinEye ergänzt werden, um tiefgehende und belastbare Ergebnisse zu erzielen.

Die Einführung dieser Werkzeuge muss von klaren Richtlinien begleitet werden, um nicht nur die technologischen, sondern auch die methodischen Kompetenzen der Anwender zu stärken.



YouTube Video: Moderne Suchtechnologien im Unternehmenseinsatz



Fazit und Handlungsleitfaden für eine verantwortungsvolle Recherchekultur

Die zentralen Erkenntnisse dieses Papiers sind eindeutig: Die Ära der monolithischen Suche ist vorüber. Eine diversifizierte, auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnittene Werkzeuglandschaft ist der neue Standard für professionelle und sichere Informationsarbeit. 

Unternehmen, die diese Entwicklung proaktiv gestalten, sichern sich nicht nur gegen Datenschutzrisiken ab, sondern schaffen auch einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil durch effizientere und qualitativ hochwertigere Informationsprozesse.

Um eine unternehmensweite Kultur der verantwortungsvollen Recherche zu etablieren, sollten die folgenden Leitlinien fest verankert werden.


Leitlinien zur Sicherstellung der Informationsqualität und des Datenschutzes

  • Diversifizieren Sie Ihre Quellen: Nutzen Sie für wichtige Recherchen immer mehrere Suchmaschinen und formulieren Sie Anfragen in verschiedenen Sprachen, um kulturell und geografisch unterschiedliche Perspektiven zu erhalten.
  • Überprüfen Sie die Autorität: Kontrollieren Sie die Expertise des Verfassers sowie die Glaubwürdigkeit der publizierenden Organisation. Ein fehlendes oder unvollständiges Impressum ist ein Warnsignal.
  • Prüfen Sie Quellen und Datum: Achten Sie auf Quellenangaben und das Publikationsdatum, um die Aktualität und Belegbarkeit von Informationen zu bewerten.
  • Trennen Sie Fakten von Meinungen: Hinterfragen Sie die Objektivität von Inhalten und unterscheiden Sie klar zwischen belegten Fakten und persönlichen Einschätzungen.
  • Achten Sie auf sichere Verbindungen: Führen Sie Recherchen bevorzugt auf Webseiten mit sicherer Verbindung durch (erkennbar am Schloss-Symbol in der Browserzeile).

Der Markt für Suchtechnologien unterliegt einer hohen Dynamik. 

Es ist daher entscheidend, die technologischen Entwicklungen kontinuierlich zu beobachten und die interne Werkzeugstrategie regelmässig zu überprüfen und anzupassen. Nur so kann ein Unternehmen langfristig seine digitale Souveränität wahren und das volle Potenzial moderner Informationsbeschaffung ausschöpfen.

Weitere Quellen:

  1. Rieder, 2005: 29f
  2. Virtuelles privates Netzwerk (VPN)
  3. https://www.researchgate.net
  4. Günther, YIS 1/2016
  5. OpenAI, ChatGPT Search (2024)
  6. Perplexity AI, Stand 2025
  7. Brückerhof, 2019: 213
  8. Brückerhof, 2019: 214–216
  9. Brückerhof, 2019: 213
  10. https://slub.qucosa.de

Aktualisiert: 27.10.2025

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