Es war einmal ein Versprechen – das Versprechen das Internet wird eine grenzenlose Bibliothek, offen für alle, reich an Wissen, wild an Ideen. Heute?
Ein unaufhörliches Rauschen, das selten in die Tiefe geht. Alles fliesst. Und dennoch: So vieles perlt an uns ab wie Regen am Glas.
Es geht nicht darum, ob das Internet bestehen bleibt – das tut es. Die Frage ist: Wofür?
Welchem Zweck dient es noch, wenn die Tiefe schwindet und die Seele fehlt?
Nicht das Internet oder die KI ist der Feind. Es ist der Gedanke, dass wir den Menschen nicht mehr brauchen, um etwas Bedeutsames zu erschaffen. Denn was schnell geht, schmeckt oft schal.
Blogartikel zum Anhören:
Das Whitepaper „Money for Nothing and Content for Free?“ der Landesanstalt für Medien NRW zeigt ein alarmierendes Phänomen im digitalen Content-Bereich: die weitverbreitete Gratismentalität.
Nutzer betrachten den Internetzugang bereits als ausreichende Bezahlung und erwarten hochwertige Inhalte kostenlos. Diese Haltung hat Auswirkungen auf die Zahlungsbereitschaft – und damit auf die Qualität der Inhalte.
Obwohl das Whitepaper vor allem journalistische Angebote betrachtet, gilt dieses Prinzip für jeglichen digitalen Content: Blogartikel, Ratgebertexte oder kreative Beiträge.
Plattformen wie Netflix und Spotify haben uns daran gewöhnt, alles zu konsumieren – sofort, günstig, massenhaft. Doch echte Inhalte, handverlesen und mit Sorgfalt gemacht, lassen sich nicht skalieren wie Serien oder Songs. Sie wachsen nicht in Sekunden. Sie brauchen Raum, Zeit und Herz.
Die Folge: Die Gefahr besteht, dass das Internet zu einer endlosen Schleife aus Wiederholungen wird – effizient, aber seelenlos.
Automatisierter Content erfüllt seinen Zweck – in Bereichen wie Wetter, Sport oder E-Commerce ist er effizient und praktisch. Aber was passiert mit den Inhalten, die uns berühren, zum Innehalten bringen und unsere Gedanken anregen?
Nur wer selbst durch die engen Gassen gelaufen ist, spürt, wie sich der Duft eines Gewürzmarkts in der Kehle festsetzt. Nur wer innehielt, als der Regen fiel, kann davon erzählen, als wäre man selbst dort gewesen.
KI nennt die Sehenswürdigkeiten. Der Mensch erzählt die Geschichte.
Eine unsichtbare Spaltung zeichnet sich ab: Auf der einen Seite stehen jene, die den Weg zu hochwertigen, inspirierenden Inhalten finden. Auf der anderen Seite diejenigen, die sich in einer Endlosschleife kostenloser, automatisierter Inhalte verlieren – gefangen in einer Welt, die sich wiederholt, ohne je etwas Neues zu bieten. Diese Bubble mag bequem erscheinen, doch sie hält uns in einem Zustand der geistigen Stagnation.
Wir stehen an einer Schwelle – oder vielleicht bereits mitten in der Spaltung. Da sind die einen, die sich noch berühren lassen wollen. Die lesen, um zu verstehen. Die schreiben, um zu verändern.
Und da sind die anderen – gefangen in einer Dauerschleife aus glattem Content. Schnell produziert. Schnell vergessen. Was wie Vielfalt erscheint, ist oft bloss Variation des Immergleichen.
Wir dürfen entscheiden, welchen Weg wir gehen. Ob wir uns von Algorithmen nähren lassen oder nach dem selbstgekochten Mahl verlangen – jenem Text, der nicht nur füttert, sondern nährt.
KI ist ein Werkzeug. Aber kein Erzähler. Kein Zeuge. Kein Liebender.
Die Geschichten, die uns verändern, kommen aus Herzen – nicht aus Servern.
Echter Content hinterlässt Spuren. Er ist nicht nur Information, sondern Verbindung. Kein schnelles Konsumgut, sondern ein stiller Begleiter.
Wir, die wir schreiben – und wir, die wir lesen – tragen Verantwortung: für das, was bleibt. Für das, was berührt. Für das, was sich dem schnellen Vergessen widersetzt.
Lassen wir uns nicht abspeisen. Fordern wir Nahrung für den Geist. Für das Herz. Für das, was uns zu Menschen macht.
Quelle:
Whitepaper "Money for Nothing and Content for free?", Christopher Buschow & Christian Wellbrock, Landesanstalt für Medien NRW, 02.07.2019