Automatisierung bringt viele Vorteile, aber auch Risiken. Produktionslinien laufen effizienter als je zuvor, Algorithmen treffen Entscheidungen in Millisekunden, und wir lassen KI-Tools für uns schreiben, planen und sogar denken.
Doch während uns diese Technologien versprechen, Zeit und Energie zu sparen, stellen sie auch eine kritische Frage: Wie viel Automatisierung verträgt unser Alltag, bevor wir unsere Menschlichkeit verlieren?
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, wie stark wir uns auf Maschinen verlassen: von Navigationssystemen, die uns ohne Nachdenken durch fremde Städte leiten, bis hin zu Algorithmen, die unsere Musikauswahl bestimmen.
Aber was bleibt von unserer Entscheidungsfähigkeit, wenn wir die Kontrolle Schritt für Schritt abgeben?
Hier sind meine Gedanken zu Bots, Spam und der Frage, wie wir unser Denken und unsere Werte zurückerobern können.
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Auf den ersten Blick scheint Automatisierung eine grossartige Lösung für die Herausforderungen unseres Alltags zu sein: Zeit sparen, Prozesse vereinfachen, Fehler reduzieren. Aber manchmal führt sie uns auch in die falsche Richtung.
Ich erinnere mich an ein Webinar, für das ich mich anmeldete – nichts Ungewöhnliches, dachte ich. Doch kaum hatte ich meine E-Mail-Adresse angegeben, begann der Ärger. Ungefragt landete Werbung in meinem Posteingang. Selbst nach meiner Abmeldung kamen die Mails munter weiter. Es folgten Werbebriefe im Offline-Postfach.
Ich schrieb dem Unternehmen und rief sogar an. Doch es nützte nichts. Die Werbewelle rollte weiter. Und als ich den Absender schliesslich in den Spam-Ordner schickte, erhielt ich plötzlich Nachrichten von völlig fremden Unternehmen.
Es war klar: Meine Daten wurden verkauft – ein Schlag ins Gesicht, der mir das Ausmass des Vertrauensbruchs vor Augen führte.
Dieser Moment war mehr als nur ärgerlich. Er war ein Vertrauensbruch. Und er zeigte mir, wie oft Automatisierung nicht mit Respekt eingesetzt wird, sondern für Profit.
Ein anderes Beispiel sind die sogenannten „Farmer“ auf LinkedIn. Sie bieten grosszügig kostenlose PDFs oder Excel-Listen an – angeblich, um Mehrwert zu liefern. Doch in Wahrheit sammeln sie vor allem E-Mail-Adressen, die sie automatisiert weiterverarbeiten.
Diese Strategie mag funktionieren, aber sie hinterlässt einen bitteren Beigeschmack.
Nur weil etwas funktioniert, bedeutet das nicht, dass es Bestand haben sollte. Solche automatisierten Taktiken machen Plattformen wie LinkedIn kalt und unpersönlich – genau das Gegenteil von dem, was sie sein sollten: Orte für echten Austausch.
Doch die grösste Gefahr der Automatisierung liegt nicht in Spam oder Bots – sie liegt in dem, was sie mit uns selbst macht.
Jede Entscheidung, die wir an eine Maschine übergeben, ist eine, die unser Geist nicht mehr trifft. Sei es das automatische Auswählen von Routen durch Navigationssysteme oder das Generieren von Einkaufsvorschlägen – diese kleinen Entscheidungen summieren sich und entziehen uns unmerklich das aktive Nachdenken.
Jede Routineaufgabe, die ein Algorithmus übernimmt, ist eine Chance weniger, unser Gedächtnis oder unsere Problemlösungsfähigkeit zu trainieren.
Früher habe ich Termine manuell in meinen Kalender eingetragen. Es war simpel, aber es half mir, den Überblick zu behalten und mein Gedächtnis zu trainieren. Heute übernimmt das eine App. Bequem? Absolut. Aber wenn die Technik ausfällt, merke ich, wie wenig Überblick ich noch habe. Deshalb bin ich zurückgekehrt zu einem Offline-Taschenkalender.
Das haptische Gefühl und der Moment Fokus, den gönn ich mir.
Ein Bericht der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) zeigt, dass die Automatisierung kognitiver Aufgaben langfristig zu einem Verlust an Fähigkeiten führen kann.
Wenn wir unsere Fähigkeit zur Problemlösung oder zum Gedächtnistraining an Maschinen abgeben, riskieren wir, dass diese Fertigkeiten verkümmern.
Automatisierung mag effizient sein, aber sie nimmt uns oft die kleinen Herausforderungen, die uns geistig fit halten.
Eine Studie der University of Oxford aus 2020 zeigt, dass selbst einfache Aufgaben wie Kopfrechnen oder das Planen von Routinen unser Gehirn aktivieren und langfristig vor kognitivem Abbau schützen können.
Wenn Maschinen diese Aufgaben übernehmen, verlieren wir wertvolle Gelegenheiten für geistige Fitness. Und langfristig zahlen wir dafür einen hohen Preis.
Trotz all dieser Herausforderungen glaube ich nicht, dass Automatisierung per se schlecht ist. Es gibt Beispiele, wie Technologie uns entlasten kann, ohne uns zu entmündigen.
Ein Anbieter, den ich nutze, hat das gut gelöst. Der erste Kontakt erfolgt über einen Chatbot, der einfache Fragen klärt. Doch sobald es komplexer wird, habe ich die Möglichkeit, mit einem echten Menschen zu sprechen. Diese Kombination aus Automatisierung und Menschlichkeit funktioniert – und zeigt, wie es richtig geht.
Das Problem entsteht, wenn Automatisierung nur auf Effizienz und Profit ausgelegt ist, ohne den Menschen mitzudenken. Setzen wir die Technologie so ein, dass sie uns unterstützt, ohne uns unserer Eigenständigkeit zu berauben. Sinnvolle Automatisierung schenkt uns Zeit – Zeit für Kreativität, Innovation und echte menschliche Verbindungen.
Automatisierung sollte ein Werkzeug sein, kein Ersatz für das, was uns als Menschen ausmacht – unsere Fähigkeiten, unser Denken, unsere Kreativität. Es ist wie ein Messer: In den Händen eines Kochs kann es ein Meisterwerk erschaffen, aber in falschen Händen kann es schaden.
Die Frage ist, wer es kontrolliert – wir oder die Technik?
Ich wünsche mir eine Zukunft, in der Technologie Prozesse erleichtert, ohne unsere Werte, unsere kognitiven Fähigkeiten oder unser Vertrauen zu gefährden. Eine Zukunft, in der Automatisierung uns Raum gibt – für das, was wirklich zählt.
Automatisierung ist nicht das Problem – es ist, wie wir sie einsetzen. Wir müssen bewusst entscheiden, wo Technik sinnvoll entlastet und wo sie uns die Möglichkeit nehmen könnte, selbst zu wachsen. Setzen wir klare Grenzen und nutzen die gewonnene Zeit für Kreativität und echte menschliche Verbindungen.
Lust auf Austausch?
Wie sehen sie das? Welche Erfahrungen haben sie mit Automatisierung gemacht?
Ich freue mich über ihre Meinung – hier auf der Website oder auf LinkedIn.
Quelle: Cognitive automation: implications for occupational safety and health, European Agency for Safety and Health at Work, ISSN: 1831-9343, ISBN: 978-92-9479-677-6 Doi:10.2802/979082, © European Agency for Safety and Health at Work, 2022
Bildquelle: Kreiert mit Canva.